Eine Anfrage aus der Geschäftsstelle: “Hast Du Lust, nach Libellen zu schauen?“ Natürlich habe ich Lust, aber ich habe mich bisher nicht näher mit Libellen befasst und deshalb wenig Ahnung. Dies wird sich nun ändern.
Auf dem Weg erhalte ich eine kurze Einführung. So erfahre ich, dass es in Deutschland etwa 80 Arten gibt, die sich in zwei große Gruppen aufteilen. Die Großlibellen mit 5 Familien und die Kleinlibellen mit 4 Familien. Die Libellen gehören mit einer Flügelspannweite bis zu 10 cm zu den größten Insekten und zu den geschicktesten Fliegern im Tierreich. Im Gegensatz zu Schmetterlingen verpuppen sie sich nicht, sondern schlüpfen direkt aus der Larve. Die Entwicklung dauert bei den meisten Arten nur wenige Monate, es gibt aber einige, die mehrere Jahre im Larvenstadium verbringen.
Wir sind unterwegs auf der Suche nach solchen Larven. Bei einem kleinen Wassergerinsel in einer Feuchtwiese versuchen wir unser Glück. Mit der Schaumkelle aus der Küche durchsieben wir den Boden, ich komme mir vor wie ein Goldgräber: Kiloweise Gestein durchsuchen, um ein Goldkörnchen zu finden. Aber ich habe Anfängerglück und schon nach kurzer Zeit sitzen zwei sandverkrustete Larven auf meiner Kelle. Sie werden vorsichtig gereinigt und als Larven der zweigestreiften Quelljungfer identifiziert. Wie zur Bestätigung sehen wir dann auch zwei Libellen dieser Art über dem Wasser fliegen. Nachdem wir die Larven ausgiebig fotografiert haben, werden sie wieder ins Wasser zurückgesetzt.
Durch meinen Erfolg beflügelt mache ich mich am nächsten Tag auf den Weg zu einer Hangquelle und das Glück bleibt mir treu. Da ich die Schaumkelle vergessen habe, durchsuche ich mit der Hand den feinen Kies. So spüre ich schon bevor ich es sehen kann, dass ich fündig geworden bin. Diesmal ist es sogar die Larve der selteneren (ein)Gestreiften Quelljungfer. Somit kenne ich bereits alle Arten dieser Familie, die bei uns vorkommen.
Das Zuordnen zu den Familien gelingt mir mit Hilfe der Bücher und eines Bestimmungsschlüssels relativ schnell. Die Unterscheidung um welche Art es sich genau handelt, ist dagegen oft nicht einfach. So unterscheiden sich Männchen und Weibchen meist farblich, ausserdem ändert sich die Farbe der Tiere auch im Lauf des Lebens. Manche sind direkt nach dem Schlüpfen grün, werden im Alter allmählich rot und später braun. Es gibt sogar Libellen, die mit der Temperatur die Farbe wechseln, je kälter es ist, umso dunkler werden sie. Für einen Anfänger wie mich ist es da nicht ganz einfach, den Überblick zu bekommen. Bei manchen Arten ist die Unterscheidung nur möglich, indem man sie fängt und mit der Lupe kleine Details untersucht. Das bleibt dann den Fachleuten vorbehalten, denn ohne Erlaubnis darf man Libellen wie auch andere Tiere nicht fangen.
Auf meinen Spaziergängen im Wald begegnen mir häufig die blaugrünen Mosaikjungfern. Sie gehören zu den Großlibellen und sind relativ leicht zu erkennen, nicht zuletzt, weil sie unglaublich neugierig sind. Wenn ich mich still halte, nähern sie sich bis auf wenige Zentimeter, bleiben wie ein Hubschrauber in der Luft stehen und begutachten mich mindestens so ausführlich wie ich sie.
Es ist gar nicht ungewöhnlich, Libellen weit entfernt von Seen oder Gewässern anzutreffen. Sie brauchen das Wasser nur zur Fortpflanzung und manche Arten halten sich bis mehrere Kilometer entfernt auf. Andere leben in Gebieten, die nur zeitweise überschwemmt werden. Sie benötigen für ihre Entwicklung sogar, dass der Bereich ab und zu austrocknet.
Mir macht es großes Vergnügen, die unterschiedlichen Libellen zu beobachten. Etwa die blauen Azurjungfern, die elfengleich zwischen der Ufervegetation schweben oder die Smaragdlibellen, deren Augen grün leuchten, als wären es LEDs.
Libellen sind vollkommen ungefährlich - für den Menschen. Andere Insekten, manchmal sogar Artgenossen, leben in ihrer Nähe aber gefährlich, denn Larven und ausgewachsene Tiere sind Räuber. Umgekehrt können die Libellen auch zur Beute werden. Wenn sie etwa in ein Spinnennetz geraten, werden sie gut verpackt und ausgesaugt. Die größte Gefahr besteht aber leider in der Zerstörung ihrer Lebensräume.
Ich habe jedenfalls Feuer gefangen, lese alle Bücher, die ich in der Bücherei finden konnte, durchstöbere das Internet nach Informationen und meine Spaziergänge werden bereichert, weil ich die bekannte Gegend wieder mit ganz anderen Augen sehe. Dank an Sabine, die mich darauf gebracht hat.
Renate Müller
Seit über 50 Jahren hat sich Günther Burk aktiv am Umweltschutz beteiligt. Vor allem zum Thema Libellen hat er sich autodidaktisch ein enormes Fachwissen aufgebaut, welches auch in den "Bayerischen Libellen-Atlas" eingegangen ist.
Sein großes Fachwissen beschränkt sich aber nicht auf die Kenntnis aller Libellen-Arten. Er kennt ihre Lebensweisen, ihre bevorzugten Nahrungsbiotope und vor allem ihre konkrete Verbreitung im Landkreis. Alle seine Beobachtungen hat er tag- und ortsgenau protokolliert. Diese Monitoringsberichte verdichten sich zu einem einzigartigen Kompendium für unseren Landkreis und enthalten faszinierende Beispiele seiner Beobachtungen und Erkenntnisse. So konnte er aufzeigen, dass die LBV-Wiedervernässungen der Spatenbräu-, Eglinger und Weidfilze im nördlichen Landkreis zu einer deutlichen Verbesserung der Artenvielfalt beigetragen hat.
Mehr dazu im Bericht "Entwicklung der Libellen im Eglinger Filz 2004-2008", den Sie unter 'Zeitschrift & Studien' finden.